Donnerstag, 12. April 2007

Mit Schmerzen ganz bis zum Ende gelesen

Peter Truschner; Die Träumer -
Szolnay-Wien-2007

Da war ich also ganz geschickt als WEST EINS nach Rezensenten suchte. Ich setzte drei Titel auf die Liste. Als Nummer 3 angesetzt, kam dann auch tatsächlich mit etwas Verspätung "Die Träumer". Es ist ein wunderschön gestaltestes Büchlein (252 Seiten) und es passt in jeden Bücherschrank. Im Laden wird es für knapp 20 Euro gehandelt.

Der Klappentext zeigt sofort die Moderne. "Iris hat es geschafft. Mit kulinarischen Kreationen bereichert ihr Catering-Service die High-Society der Großstadt..."

Windräder, E-Mail, Handy und im Bach gelandete Einkaufswagen tauchen auf. Schon auf den ersten Seiten ist ein Künstlerhof und ein Ponnyhof und eine Töpferei da. Das managt die Mutter von Ines und der Vater ist im Keller als Lithograf zugange.

Robert, der 'Held', stirbt bereits auf den ersten Seiten im Kapitel 'Null'. Wir erfahren dann etliches über Roberts Lebensweg.

Auffallend ist die Neigung des Autors kleine Witzchen zu machen. So endet das hochdramatisch angelegte Kapitel 'Null' mit dem Schlussabsatz: "Eine Krähe landete neben Roberts Kopf. Schwer zu sagen, ob der Vogel die Totenwache stellte oder die Müllabfuhr."

In Kapitel 'Eins' ist folgender merkwürdiger Text anzutreffen: "Wenn es stürmte, übernachtete Iris gerne bei Babsi. Sie gingen dann immer auf den Dachboden, wo alte Matratzen herumlagen, und zündeten Kerzen und Räucherstäbchen an. Dann zogen sie sich die Hosen aus, setzten sich auf eine Matratze und warteten darauf, daß die Federkerne ihren Mösen ein Lied sangen. Sie führten das Unternehmen nie zu Ende, da ihnen vor Lachen bald der Bauch wehtat."

Hier redet ein Primaner. Mir soll es recht sein. Wenn der Primaner sich aber zu Gott aufspielt, dann zweifle ich am gesamten Lektorat von Szolnay. Die Strukturelemente der Personalisation sind gänzlich unverständlich und unpassend. Auf Seite 27 steht: "Das Dilemma des Bauunternehmers bestand darin, daß er Iris liebte, sich jedoch so verhielt, als wollte er sie nur haben." Es ist ein absoluter Satz und er passt nicht zum Wissen des Primaners. Selbst für die Gott-Perspektive des allwissenden Autors ist dieser Satz eine Zumutung.

Das Malheur geht weiter: "Der Schauspieler fühlte sich wohl in der reservierten Atmosphäre des Banketts." (29) Der Autor kennt alle Gefühle und selbst die Gefühle der Nebenfiguren. Ein "...fühlte sich sichtlich wohl..." muß hier stehen Herr Lektor!

Dann ist der allwissende Gott aber plötzlich weg. "Studenten kamen Robert entgegen, sahen ihn an, überlegten vielleicht, ihn anzusprechen..." (41).Sie überlegten vielleicht...

Das Kapitel 'Drei' beginnt mit den Worten: "Ein Lichtteilchen, das Millionen von Jahren gebraucht hatte, um vom Kern an die Oberfläche der Sonne zu gelangen, legte daraufhin einhundertneunundvierzig Millionen Kilometer zurück - und landete auf Iris' Gesicht." Gustav Freytag hat vor über hundert Jahren einen Journalisten erfunden der in solcher Art schrieb und er hat ihm den bis heute passenden Namen Schmock gegeben.

Das Buch ist ein Krampf. Es scheint so, als habe der Autor versucht, einige mehr oder minder gelungene Anekdoten und Kurzgeschichten zu verknüpfen. Es ist nicht gelungen; und es ist noch nicht einmal glänzend gescheitert wie andere vergleichbare Produktionen der Neuzeit.

Auf dem letzten Blatt steht unten am Rande einer ansonsten leeren Seite: "Dank an Peter Turrini der immer ein offenes Ohr für mich hat...Zuletzt - über allem stehend, alles durchdringend - Martina, für die intensiven Jahre." - Auf die freie Fläche schrieb ich: Mit Schmerzen ganz bis zum Ende gelesen!


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